Der Jakob wohnt in Kanaan,
wie schon sein Vater hat getan.
Die Söhne waren Hirten dort,
auch Joseph führte das so fort:
Er hütet wohl der Schafe Schar,
so, wie es damals üblich war.
Sein Vater, der ihn lieber hat,
als alle andern, in der Tat,
der macht ihm einen Rock, schön bunt.
Als dies den Brüdern wurde kund,
da schauten böse sie dorthin
und feindlich waren sie auf ihn.
Der Joseph hatte einen Traum,
erzählt ihn auch, man glaubt es kaum,
den Brüdern: „Garben auf dem Feld,
die waren alle aufgestellt
Josephs Traum von den Garben, die sich neigen
Höchstädt – Kirche Mariä Himmelfahrt
im Kreis, und dazu mittendrin
noch eine Garbe, zu der hin
die anderen verneigen sich.
Die Garbe mittendrin bin ich.“
Die Brüder waren außer sich:
„Glaubst du vielleicht, wir werden dich
verehren, ganz so, als ob du
ein König wärst? Ja, spinnst denn du?“
„Es gibt noch einen zweiten Traum:
Ich stand in einem weiten Raum;
Mond, Sonne und elf Sterne hier
gemeinsam neigten sich vor mir.“
Der Vater schalt: „Was soll das sein?
Soll ich und auch die Mutter dein
samt deinen Brüdern denn vor dir
noch niederfallen jetzt und hier?“
Der Vater hebt die Worte auf;
die Brüder waren neidisch drauf.
– Und eines Tages kam die Zeit,
die Brüder waren fort, sehr weit,
zu weiden ihre Herden dort;
der Jakob schickt den Joseph fort,
zu sehen, wie’s den Brüdern geht,
ob alles auch zum Rechten steht.
Er sucht‘ sie lange, fand sie dann
mit ihren Herden bei Dothan.
Sie sahen ihn von ferne schon
und sagten: „Jetzt kriegt er den Lohn
für seine Träume. Sollen wir
ihn gleich erschlagen, jetzt und hier?
Wir sagen, dass an dieser Statt
ein Wildtier ihn gefressen hat.
Der Ruben fand es gar nicht gut,
will nicht vergießen Josephs Blut.
„In diese Grube werft ihn rein,
dann fällt uns sicher noch was ein.“
So taten sie, als Joseph kam.
Als erstes seinen Rock man nahm,
den bunten, den er gerne trug.
Den Brüdern war das nicht genug.
Sie warfen ihn mit Schwung hinein
in eine Grube, nicht zu klein.
Und diese Grube war ganz leer,
dort gab es auch kein Wasser mehr.
Die Brüder setzten sich jetzt hin.
Der Joseph in der Grube drin
bekam nichts ab von ihrem Brot.
Sie wollten ja, er wäre tot.
Von ferne sehen sie sodann:
Kamele kommen dort heran.
Die Karawane will noch weit;
die Brüder sind sogleich bereit
und holen Joseph aus dem Loch.
„Es ist ja unser Bruder doch
und somit unser Fleisch und Blut.
Ihn umzubringen, wär‘ nicht gut.“
Der Juda sprach: „Gebt Joseph her,
wir sehen ihn dann niemals mehr.
Bis nach Ägypten soll er zieh’n,
die Karawane will dorthin.“
Für zwanzig Silberstücke dann
verkaufen sie den armen Mann.
Danach beschmieren sie den Rock
mit Blut von einem Ziegenbock
und bringen ihn zum Vater: „Schau,
wir wissen es nicht ganz genau.
Kennst du den Rock? Wir fanden ihn
so in der Wüste, mittendrin.“
Der Jakob sagt: „Den kenn‘ ich schon,
das ist der Rock von meinem Sohn.
Zerrissen hat ein wildes Tier
mir meinen Joseph. Ich will hier
und jetzt beweinen ihn. Mein Schmerz
zerreißt mich fast und auch mein Herz.“
Die Söhne und die Töchter auch,
die wollen trösten, wie es Brauch.
Doch Jakob spricht: „Ich trage Leid
um ihn, bis schließlich es so weit,
dass ich zu meinen Vätern geh‘
und meinen Joseph wieder seh‘.“
Der Joseph musste aber mit
der Karawane, Schritt um Schritt,
bis er dann in Ägypten war.
Dort kaufte ihn der Potiphar,
der Kämmerer des Pharao;
der konnt‘ ihn brauchen, sowieso,
zur Arbeit und sonst allerhand.
So blieb der Jospeh dort im Land.
Und wie es weitergeht im Text,
das schreib‘ ich später. Bis demnächst.
© 26. Dezember 2013 Gisela Kibele