Mitwisser – Mitarbeiter – Mitesser
Frühzeitig vor Wahlen – wie wahrscheinlich jede/r auch schon erfahren hat -sehen sich Politiker bisweilen bemüßigt, auch einmal nach denen zu fragen, denen sie ihre Macht verdanken.
• Mitwisser sind sie – die Politiker -, weil sie voraussetzen und behaupten, dass sie unsere geheimsten Wünsche kennen, also genau wissen, was wir eigentlich wollen (bzw. wollen sollen);
• Mitarbeiter sollen wir Wähler sein und ihnen auf der von ihnen vorgegebenen Grundlage zum Erfolg verhelfen;
• Mitesser sind wir Wähler, denn wir müssen nachher die Suppe auslöffeln, die sie uns für den Alltag zubereitet – und was sie uns eingebrockt haben.
Eines von etlichen möglichen Themen in diesem Zusammenhang habe ich ausgewählt; daran soll die zentrale Frage nach der Effektivität von Wahlversprechen erkennbar werden.
Frei sind wir, so frei wie nie!
Das macht die Demokratie.
Jeder Wunsch wird dem erfüllt,
der wohl laut genug gleich brüllt.
Weil die Wahl ins Haus bald steht,
mancher durch die Straßen geht,
was er für uns plant, erzählt,
nur, damit man ihn auch wählt.
Also gebt ihm Wünsche an,
dass er sie erfüllen kann.
Denn er will, dass man ihn liebt,
bei der Wahl die Stimme gibt.
Er studiert‘ wohl Politik,
doch für’s Leben keinen Blick;
denkt, dass er es fertig bringt,
jedem schnell das Glück erzwingt.
Demnächst ist ja wieder Wahl;
die Entscheidung, eine Qual!
Er steh‘ hier, ja, schaut ihn an,
weil er uns versprechen kann:
„Schaut zum Beispiel, und ihr seht,
wie es Vegetariern geht;
strahlen sie nicht wie im Mai?
Auch Veganer sind dabei.“
„Fleischlosessern und Vegan
sieht das Glück von fern man an.
Darum machen alle mit:
Veggie-Tage halten fit!“
„Euer Glück, das kenn‘ nur ich,
drum verlasst euch ganz auf mich.
Ja, ich weiß, was gut euch tut,
macht ein Kreuz bei mir; nur Mut.“
„Die Gesetze, die ich schreib‘,
passen ganz auf euren Leib.
Jeder findet so sein Glück;
und danach gibt’s kein Zurück.“
„Da, wo ich entschieden hab‘,
beißt die Maus kein‘ Faden ab.
Jeder, der heut‘ zu mir hält,
hat sein Glück durch mich erwählt.“
„Gérechtigkeit wird sozial,
so dass jeder, ganz egal
was er tut, dasselbe kriegt.
So wird Ungleichheit besiegt.“
„Als Belohnung kriegt ihr dann
einen Topf Marihuan‘,
der das Leben sehr verschönt.
Danach habt ihr euch gesehnt.“
„Und wer das für wichtig hält,
dass ich schaffe Glück der Welt,
hilft mir gerne, Schritt für Schritt.
Kommt doch her, helft alle mit.“
„Darum wählt mich, liebe Leut‘;
ich versprech‘ Zufriedenheit.
Malt das Kreuzchen gleich bei mir,
dann bleib‘ ich noch lange hier.“
Wer so spricht, der hat im Blick
nur sich selbst, damit ganz dick
er besorgt sein Wohlergeh’n,
denn im Parlament ist’s schön.
Diese Glücksinflation,
spricht dem wahren Leben Hohn;
zwar sie gern versprochen wird,
doch wer’s glaubt, hat sich geirrt.
Doch ist Freude nicht weit her,
Glück zu zwingen fällt recht schwer.
Mundes Winkel hängt herab;
Lachen kommt ein bisschen knapp.
Wer will so altr(u)istisch sein?
für mein Glück sich setzen ein?
Warum tut das jemand heut‘
Glaubt ihr wirklich ihm, ihr Leut‘?
Manchmal frag‘ ich, wo ich bin;
gehe ich zur Arbeit hin,
– auch, wenn ich die Arbeit mag –
ist vorbei ein ganzer Tag.
Zeit ist ein Vermögen wert.
Doch hier ist die Welt verkehrt.
Geh‘ zur Arbeit, bleib‘ zu Haus,
jeder kriegt das selbe raus.
Wählen gehen, mein Begehr,
selbst entscheiden – nicht zu schwer.
Ich pfeif‘ auf den guten Rat,
den man mir gegeben hat.
Nun denk ich von spät bis früh,
wie kann jemand, der mich nie-
mals bisher gesehen hat,
sagen, dass an meiner Statt
er genau weiß, was ich brauch?
Denn das weiß ich selber auch.
All das wäre ja ganz toll!
Nimmt der nicht den Mund zu voll?
Jeder kann doch selber nur
auf die ihm gemäße Tour
sein des eig’nen Glückes Schmied.
Seht ihr jetzt den Unterschied?
Seht ihr jetzt den Unterschied?
© 17.05.2015 Gisela Kibele
Die fünf unteren Bilder wurden im
Mathematikum Gießen aufgenommen.